Freitag, 21. April 2017

durch krankheit und kündigung geschlossen.
ich schreibe wieder. und male.
der neunjährige schenkte mir ein phoenixnest.

Montag, 27. Februar 2017

sechs monate später schmerzt mein körper immer noch.
ich danke für grüße und andere aufmerksamkeiten,
warte auf einen vogel.

Mittwoch, 12. Oktober 2016

[ audio ] wieder und immer noch krank wie jahre zuvor, liege ich und sehe mich auf den friedhöfen stehen, mit fremden menschen, mit fremden tränen, unbeteiligt. die urne mittig, die blumen drumrum. immerwieder. so oft, dass man nicht darüber nachdenken kann. besser so, denkst du.

"sonst wäre es zu schwer, stell dir vor, du würdest jedes mal mitfühlen, dir den kopf zerbrechen."

ich liege zuhause, fernab, seit fünf wochen und sehe mich auf den friedhöfen stehen. ich twittere, ich sei ein hafen, dort im regen, neben der urne auf der weiten fläche der urnenrasenreihengräber.


es ist mir wichtig, jemand oder etwas zu sein. gerade weil ich keine rolle innerhalb des trauerhauses spiele und doch involviert bin, ausführen muss. ich denke, ein bild von sich, steht jedem menschen gut. ein hafen zu sein ist farbe, leidenschaft. manchmal stress. ich z.b. habe das verlangen in nahezu jeder situation ein neues bild von mir zu erschaffen. das ist too much für den mainstream. too much gegenüber den täglichen anforderungen. das verstehe ich aber nicht. ich verstehe nicht ein dauerhaftes kollektiv zu sein.

ich weine aus wut, weil ich nie mainstream sein wollte, nicht mainstream bin, ich will mainstream sein. ich will immer ein scheiß hafen sein, der ruht und andere ruhen lässt.


"hallo? kranker körper? tee?"

"nee. lieber eine eruption."


man darf sich vermutlich niemals etwas fragen, sagte das schlaue chamäleon. wir sind ein wald.

Donnerstag, 15. September 2016

[ audio ] ob es mich prägt, die tägliche arbeit mit dem tod, ob es nicht doch zu schwer ist, weil ich oft erschöpft wirke. nun bin ich krank geschrieben, weil mein rechtes knie aus bislang unklaren gründen angeschwollen ist, ich auf das mrt warte, mich schonen soll: damit ist nicht zu spaßen, frau anwander.

in der luft hängend, ohne diagnose darf man ruhig weinen, sich leid tun, finde ich. in meinem kopf sagt eine stimme permanent: aktualisiere den aufnahmebogen.
als ob ich durch ein dickes knie sterbe, aber ich schlage den schwarzen ordner auf, auf dem "für den sterbefall" steht und schreibe "girl in amber von nick cave"* zu meinen trauerfeiermusikwünschen.

siehst du, das ist alles beruflich bedingt; du fotografierst immer nur, weil jemand sterben könnte.
das stimmt nicht ganz. in meinen alten tagebuchaufzeichnungen sind bereits bestattungswünsche zu finden. da war ich 10.

im laufe der jahre starben familienangehörige, gar babys in meinem bauch, haustiere, liebgewonnene menschen, prominente, fremde und in mir verstärkte sich das nicken, ein ja zum tod. die tägliche arbeit mit dem tod scheint mich mit ihm zu versöhnen. sie prägt mich neu, sie verdrängt den gesellschaftlichen konsens, der unsere beziehung zum tod verbockt.


nachtrag: *oder lieber "distant sky von nick cave, ach am besten gleich ganz skeleton tree"

Freitag, 1. Juli 2016

[ audio ] wissen sie. ich vergesse mich schnell. ich vergesse belange, ich vergesse die zeit. mir gibt der moment qualität. jedem sollte der moment qualität, lebensqualität geben, finde ich.
ich sitze mit angehörigen in einem beratungsgespräch und denke nur: yeah. so. ja. okay. wir kriegen das hin. genau so machen wir es. ja, und wir könnten noch da hin gehen. in ordnung, ich kümmere mich darum. ja, sie schauen da, ich schaue hier. dieser einklang. dieses ping und pong. das erwartet man. überall. nicht nur, wenn es "ernst" wird. wenn ich als bestatterin da hocke, mit meiner riesigen brille, mit meiner hakennase, in meinem business-outfit, mit einem deutsch, wovor ich selbst oft genug abhauen möchte, dann schaue ich mal, ob es gerade gut ist, ob meine gegenüber sich wohl fühlen. dann vergesse ich mich und meine tätigkeit, den roten faden. lassen sie mich vergessen.

nachtrag: hm.

Mittwoch, 8. Juni 2016

audio  ] liebe angehörige, liebe interessierte,

da ich schon vermehrt darauf angesprochen wurde, hier nun ein statement:

zum 1.4. endete meine zusammenarbeit mit dem bestattungshaus benkert in gütersloh, weil ich auf der suche nach einem neuen wirkungskreis gewesen bin. es war eine schöne prägende zeit, mit lieben angehörigen, auf die ich gern zurückschaue. ich danke ihnen für ihr vertrauen.

nun arbeite ich für herrn andreas niehaus in bielefeld, der die bestattungshäuser deppe, niehaus und im stift führt. es ist mir weiterhin sehr wichtig, würdevoll, aber auch innovativ im bestattungswesen tätig zu sein. für ihre wünsche eine trauerfeier noch persönlicher zu gestalten - ebenso für kritik - habe ich ein offenes ohr.

ihnen allen eine lebhafte zeit.

Sonntag, 29. Mai 2016

[ audio ] anscheinend twitterte ich heute großen scheiß. ich schrieb


ich schrieb das, weil die liebe hannelore peine ein bild von stolpersteinen postete. ich erinnerte nicht nur (ja i am sorry, schon wieder an das vergangene, schon wieder an den tod), ich schrie(b) eine vorstellung von mir in die timeline, die mich als mitwirkende im dritten reich imaginierte.

mein job ist vermutlich eine berufung (i am sorry, noch so ein verbrauchtes wort). doch einer anderen arbeit nachzugehen, kann ich mir nicht vorstellen. das sage ich oft. weil ich auch ständig gefragt werde, wie ich diesen job nur machen kann. berufung. kein wunder, ich darf jede familie individuell und adäquat betreuen. jeder familie kann ich einen abschied ermöglichen; alles verläuft still, langsam, pietätvoll. und wenn es doch mal laut zugeht, hat es tieftraurigen wumms. wie karsten eben war.

nun stelle man sich vor, ich sei renommiert, oder arbeitssuchend und bekäme eine anstellung als bestatterin in konzentrationslagern. als bestatterin mit einem guten ruf hätte ich mich der ideologie hingeben, oder auswandern müssen. als arbeitssuchende frau - wenn man so weiter spinnt, gar alleinstehend mit kindern - säße ich vielleicht im bewerbungsgespräch um eben diese stelle und stünde vor: friss, oder stirb. keine ahnung. der gedanke war da, und ja, bleibt widerlich.


"sie wissen, dass sie mit dieser arbeit dem deutschen volk dienen, denken sie daran."

niemand führte mich während des bewerbungsgespräches in ein schwimmbad. erst als ich bereits angestellt war, ging ich an meinem ersten arbeitstag um 8 allein dort hin, stand vor dem beckenrand. 


ob ich diesen job dann immer noch gern täte, ihn als berufung sehe...

i am sorry, ich bin kein nazi. entweder hätte ich den ermordeten menschen mit meinem dienst versucht in irgendeiner weise noch einen funken ehre zu erweisen, oder ich hätte so viele nazis wie möglich erschossen und dann mich selbst.

niemand favte (nachtrag: meint eher: bemerkte) diesen tweet. oder wie ich jetzt gesehen habe, einer favte diesen tweet. das wurmte mich. bin ich abgestumpft, oder ihr?

Donnerstag, 28. April 2016

[ audio ] die vergangenen tage lernte ich also eine anfangsperson von h.p. michael haarmann kennen. sein auftreten war offensiv, einladend, kreativ. attribute, die jemand der fantastisch doziert, mit sich bringen sollte. ich möchte am liebsten in seitenlange schwärmerische lobeshymnen verfallen, sein und insofern auch unser seminar beklatschen und danken; allen danken mir danken dir danken ihm danken, aber in diesem blog geht es um den tod. wobei mir nun einfällt, dass michael haarmann immer wieder betonte, wie wichtig es sei, nicht 100% zu machen. eben nicht perfekt und überglücklich zu sein, weil es keine steigerung mehr gäbe. natürlich. wir finden jetzt einfach hierzu den dreh und sagen: 100% bedeute tod. das schöne tolle volle stirbt, weil es einen punkt erreicht hat, an dem es nicht weiter geht. es vergeht.

andererseits vergeht doch eh alles.
es ist wohl dann wie üblich geschmacksache, ob man die dinge intensiv und schnell mag, oder lieber etwas auf kleinerer flamme dehnt. die autokorrektur schrieb /sehnt/ statt /dehnt/. vielleicht sehnt man (sich) auch gerne etwas, wenn man lieber die kleinere flamme wählt. das ganze bleibt unvollkommen, somit am leben; man sehnt sich nach einem höhepunkt, nach einem ende, mag es aber nicht herbeiführen, weil im grunde jeder den tod scheut.

nun haben sie einen teil meiner anfangsperson, die gerne philosophiert, mitbekommen.

michael haarmann nutzte diesen begriff um verständlich zu machen, dass wir zwei, drei, vier, 134 oder 512 personen sind und zwischen diesen switchen.

nun ging es in unserem seminar u.a. um unser auftreten als bestatter in begrüßungssituationen, wenn angehörige wegen eines trauerfalls zu uns kommen.

welche person in uns managt begrüßungen? wie wirkt diese person?

an sie als kunden weitergefragt: welche art person wollen sie vorfinden, wenn sie begrüßt werden? wie wollen sie als trauernder begrüßt werden? mögen sie sätze, wie z.b. 'meine anteilnahme'? möchten sie tradition? oder ist ihnen nach neuerung?

und mit welcher anfangsperson kommen sie ins bestattungshaus?

sicher können sie sich fragen, wozu soll ich mir gedanken um meine person, um mein auftreten machen, wenn meine mutter soeben in der klinik verstorben ist. aber das ist sie ja jetzt in diesem moment nicht.

ich überlege als tochter. als tochter möchte ich mit einer anfangsperson dem tod meiner mutter begegnen, die vor liebe mitstirbt. ich möchte nicht stark sein müssen, nicht kontrolliert, nicht sachlich. naja gut, ich bin vom fach - ich hab den technischen teil im vorfeld geklärt, weiß was sie anzieht, weiß welchen sarg, weiß welches grab - komme also 'vorbereiteter' ins bestattungshaus. deshalb wünsche ich mir in der begegnung am sarg nur gefühle. ich rufe die kollegen an, oder noch besser: ich lasse anrufen! sie sollen sie vom sterbeort abholen, sie wissen ja vorerst alles wichtige und möchte als erstes nur zum trauern ins bestattungshaus kommen. wie ein häufchen elend, oder die trauerweide. 100%.

Mittwoch, 9. Dezember 2015

[ audio ] du tanzt, hast freizeit, wochenende, bist ausgelassen, hast freunde um dich, gehst zur bar, lachst, bestellst und wirst umarmt. umarmt, gedrückt, festgehalten, eine stimme flüstert dir ins ohr:

"danke. danke wollte ich dir noch sagen."

"oh hallo."

"danke."

"wie geht es dir?"

"schwierige frage. wie soll es mir schon gehen?"

du wirst wieder umarmt, gedrückt, festgehalten, dann geküsst. erst links, dann rechts, dann wieder links. du siehst seine schulter, hältst seine schulter, hältst seine hand bis er geht.

Dienstag, 3. November 2015

[ audio ] mein therapeut sagte: schreiben sie mir, wenn sie einsam sind, schreiben sie mir, schreiben sie mir, wenn sie nicht wissen, wem sie es mitteilen können, schreiben sie mir, wenn ich nicht da bin. 

ich liege wach, die zweite nacht, ich schreibe ihnen. 

als ich heute nachmittag von der arbeit nach hause kam, bin ich vor erschöpfung in schlaf gefallen. ich schlief zwei stunden auf meinem sofa. als ich erwachte, war es bereits dunkel. ich hob meinen kopf, blickte in richtung esstisch und sah dich am hals von der zimmerdecke hängen.  ich stand sofort auf, machte das licht an, schüttelte den kopf, ging zu den mülltonnen an die straße. 

aus der ferne sah ich, dass du am hals unter dem carport hängst. ich zog eine mülltonne, die andere schob ich vor mir her.

suizide sind nahezu alltag in unserem beruf. wir werden gerufen, kommen zum fundort, sargen ein, fahren weg, fahren wieder nach hause, fahren uns durchs haar. du bist nicht der suizid, du bist auch kein freund. du bist jemand der mir nahe stand, mit dem ich viel lachte. war dir klar, dass ich dich abhole?

mit der taschenlampe komme ich zurück zur haustür, du hängst im treppenhaus. ich weiß, dass du weg gehst, dass du verblasst, dass du irgendwann gar nicht mehr da bist. bis dahin kann ich sehr schlecht schlafen. vielleicht, weil ich auch einsam bin. ein bisschen so wie du. ich erinnere mich an deine geschichte, die du mir erzähltest. du als der kleine junge, der sich fürchtete. vor dem großen nagel an der wand.

Sonntag, 27. September 2015

audio ] vor drei jahren schrieb ich hier anders. ich hatte weniger routine mit dem thema tod, manchmal wusste ich auch nicht, wie ich mich verhalten sollte. es war mir wichtig leise zu sprechen, die richtigen worte zu finden, angehörigen viel raum zu geben. jetzt, drei jahre später führe ich viel mehr smalltalk, erzähle im beratungsgespräch auch mal von mir. immer noch einfühlsam, anders kann ich gar nicht. aber beileibe spreche ich nicht mehr in diesem flüsterton, der mich gerade beim anhören der älteren blogbeiträge auf die palme brachte. als sei trauer nur leise.

Sonntag, 20. September 2015

audio ] die haustür fällt ins schloss in deinen schoß, du fällst auf die knie. du hast noch knie. du hast noch haut. fang an zu schreien. nein, sing. hier auf den stufen, hier schallt es schön.

dein treppenhaus

Mittwoch, 6. Mai 2015


genau so sind wir. nur bei den schweizern dachte ich immer, sie würden gar nicht so schnell gehen und fahren.

[ audio ] hallo grab. zwei jahre sind vergangen, seit ich das letzte mal hier gewesen bin. dazwischen sah ich keinen nutzen für dieses blog. es war mir ein klotz am bein, wie so vieles. nur habe ich nichts dagegen getan. das blog schlief einfach an meinem bein.

standby scheint typisch für unsere heutige gesellschaft zu sein. wir haben eine riesige auswahl; fangen hier was und da was an, lassen liegen, laufen weiter, schneller, weil das andere vielversprechender klingt, kehren um, vergleichen, werfen nicht weg, sammeln eindrücke, interieur, menschen. lebendige und oft genug auch tote. und beenden selten. richtig.

ja zum beispiel kürzlich, da wollte ich mir nach ein paar monaten ein rezept für ein medikament bei meiner hausärztin abholen. fortschrittlich wie wir ja sind (um nebenbei noch mehr dinge anzufangen), öffnete ich die webseite um online zu bestellen und sah, dass sich die gemeinschaftspraxis in einem neuen licht präsentiert. freude/wie schön/mehr transparenz/lalala. nur meine hausärztin wird nicht mehr im team aufgeführt. sie ist weg. wurde ersetzt. kommt nicht mehr wieder. ich fühlte mich beraubt. unfertig. der abschied von ihr ist offen. schon gefiel mir die neue internetpräsenz nicht mehr so wie zuvor. die lachenden arzthelferinnen auf den fotos wirken überspielend, am liebsten hätte ich kommentiert. das ist aber nicht möglich; also hänge ich in der luft mit meiner neugierde meinen genesungswünschen mit neuer last am bein.

ich überlegte mir also, dass ich einen ort brauche. einen recyclinghof, oder so. darum möchte ich jetzt gern wieder hier schreiben.