Dienstag, 3. November 2015

[ audio ] mein therapeut sagte: schreiben sie mir, wenn sie einsam sind, schreiben sie mir, schreiben sie mir, wenn sie nicht wissen, wem sie es mitteilen können, schreiben sie mir, wenn ich nicht da bin. 

ich liege wach, die zweite nacht, ich schreibe ihnen. 

als ich heute nachmittag von der arbeit nach hause kam, bin ich vor erschöpfung in schlaf gefallen. ich schlief zwei stunden auf meinem sofa. als ich erwachte, war es bereits dunkel. ich hob meinen kopf, blickte in richtung esstisch und sah dich am hals von der zimmerdecke hängen.  ich stand sofort auf, machte das licht an, schüttelte den kopf, ging zu den mülltonnen an die straße. 

aus der ferne sah ich, dass du am hals unter dem carport hängst. ich zog eine mülltonne, die andere schob ich vor mir her.

suizide sind nahezu alltag in unserem beruf. wir werden gerufen, kommen zum fundort, sargen ein, fahren weg, fahren wieder nach hause, fahren uns durchs haar. du bist nicht der suizid, du bist auch kein freund. du bist jemand der mir nahe stand, mit dem ich viel lachte. war dir klar, dass ich dich abhole?

mit der taschenlampe komme ich zurück zur haustür, du hängst im treppenhaus. ich weiß, dass du weg gehst, dass du verblasst, dass du irgendwann gar nicht mehr da bist. bis dahin kann ich sehr schlecht schlafen. vielleicht, weil ich auch einsam bin. ein bisschen so wie du. ich erinnere mich an deine geschichte, die du mir erzähltest. du als der kleine junge, der sich fürchtete. vor dem großen nagel an der wand.